Die Ethik und der Holocaust

Wintersemester 2013/14
Universität Bamberg
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Adorno sagte, Hitler habe der Menschheit einen neuen Imperativ aufgezwungen: Daß sich Auschwitz nicht wiederhole. Und tatsächlich scheint die Welt seit dem Massenmord des Deutschen Reichs an den europäischen Juden eine andere zu sein. Der Holocaust wurde zu einem Mahnmal, und einem Paradigma in jeder ethischen Diskussion. Aus Raskolnikows "Wenn Gott nicht existiert, dann ist alles erlaubt" wurde sozusagen ein "dann ist selbst der Holocaust erlaubt".

Manche werden natürlich fragen, ob diese Diskussion in die Philosophie gehört. Denn keine Tat, nicht einmal die schlimmste, ändert ja irgendetwas daran, welche Taten schlimm sind. Ist der Holocaust also irrelevant außer als Beispiel und soziologische Studie? Diese Frage läuft letztlich darauf hinaus, ob Ethik einen historischen, also zeitgebundenen Aspekt hat oder nicht - und warum das, wenn es so ist, gerade nicht relativistisch zu verstehen ist. Aber auch andere moralphilosophische Fragen wie die nach der Möglichkeit kollektiver Handlungen und kollektiver Schuld, Vergeltung und Verantwortung des Einzelnen schließen sich hier an. Das ist die EINE Seite des Problems.

Die andere ist: Was ist der Holocaust eigentlich? Wie darüber reden? Kann man das Leid von Millionen überhaupt verstehen oder benennen? Und wäre nichts schlimmer als es deswegen nicht zu benennen? Vielleicht entscheidet sich daran, wie und ob und wann wir über ihn sprechen, was für Menschen wir sind. Und das führt zur Analyse von Implikationen: warum bestimmte Geisteshaltungen, Sentimentalitäten, Apologien, Beschwörungen, Superlative und Vergleiche, also sowohl Verabsolutierungen und Relativierungen gefährlich sein können. Und warum Sätze, die inhaltlich völlig richtig sind, trotzdem völlig falsch sein können.

All das macht das Seminar heterogen und gelegentlich durchlässig zu anderen Disziplinen: Soziologie, Politik, Kunst, Literatur, Lyrik (Adorno: "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch"). Lesen werden wir Arendt, Améry und Adorno, verschiedene Zeitdokumente, sowie Ausflüge in die Theologie (Bonhoeffer) und Literatur (Sebald) unternehmen.